Eine Erinnerung an Sonntag den 9.12.1984

 Meine Bekehrung zur Rockmusik

Ich bin, wie im dem Blog bereits erwähnt, im April 1967 geboren. Musik war bereits in Kindheit und Jugend immer ein fester Bestandteil meines Lebens und was den Geschmack anging, war ich wohl ziemlich Mainstream. Meist mochte ich das, was in den Charts oben stand. Es musste ja gute Musik sein, sonst würde sie ja nicht da oben stehen. Das dieser Gedanke so nicht ganz korrekt ist, ging mir tatsächlich erst in meinen 20ern auf. 

Ich hörte Anfang der 80er, wie wohl die meisten, vor allem schräge Deutsche Musik aus der NDW. Dazu kam ein Mix aus Pop Musik, einigen Schlagern und Kram der gerade Hipp war, sowas wie die Italo-Welle. Meine Güte war da grässliches Zeugs bei. 

Ich hab 5 ältere Schwestern (also unter anderem) und manchmal war das Praktisch. Eine von ihnen war Mitte der 80er mit einem Musiker liiert. Und der kam immer mal wieder an Karten für Veranstaltungen ran, von denen man nicht einmal gehört hatte. 

Es gab da unter anderem eine meist unfassbar langweilige Reihe direkt aus den Planungsbüros der FDJ, die sich 'Hier um 11' nannte, die einmal im Monat statt fand und im Grund aus Laienvorträgen von Gedichten, kleinen Liedern und anderen eher lang- als kurzweiligen Formen sozialistischer Kultur bestand. Und in der Regel riss man sich nicht um diese Karten. 

Im Dezember des Jahres 1984 bekam der 17 jährige wilde Hottentotte, der später mal ein weises Possum werden sollte, von eben jenem Musiker eine Karte für das Metropol Theater in Ostberlin (heute Admiralspalast) und zwar eben für die Dezember Veranstaltung 'Hier um 11'. Die Veranstaltung hieß übrigens so, weil sie vormittags um 11 am Sonntag stattfand. 

Eigentlich bin ich nur hin gegangen weil ich die Karte geschenkt bekam und der Musiker schon so geheimnisvoll den Eindruck zu erwecken verstand, das es etwas ganz besonders sei. Klar, dachte mein jugendliches Ich, FDJ-Kulturprogramm mit Rotlicht-Bestrahlung. Aber das Metropol Ost wollte ich schon mal von innen sehen, und so bin ich dahin. 

Vor dem Metropol Theater waren Menschenmassen. Und viele von denen bettelten um Karten. OK, es musste also irgendwas an der Veranstaltung sein, das begehrenswert war. Und dann, also vor dem Theater, kam mir auch langsam der Gedanke das allein der Ort der Veranstaltung schon ungewöhnlich war. Normal war 'Hier um 11' nämlich in irgendwelchen großen Kinos oder sonstigen größeren Sälen aber niemals in so schicken Lokationen. 

Ich war dann also drin, im obersten Rang ganz vorne mit bester Sicht auf alles. Die Veranstaltung ging los und es begann genau so wie ich es vermutet hatte. Langweilig folgte auf komplett untalentiert und oh Gott, wer hat die denn auf eine Bühne gelassen? Das ganze ging so ungefähr 90 Minuten und kam mir durchaus wie eine Woche Isolationshaft vor. 

Dann kam der bemühte Moderator noch einmal auf die Bühne: "Ich Danke Ihnen dass sie bis hierhin so tapfer durchgehalten haben. Natürlich weis ich, warum sie heute alle hier sind" Während dieser Worte hob sich ein 2. Bühnenvorhang, den ich so gar nicht zur Kenntnis genommen hatte, und gab den Blick auf ein doch recht beeindruckendes Set an Musik Instrumenten frei. "Und hier ist er nun also für sie. Aus Großbritannien heute hier bei uns: Roger Chapman!" 

Und dem kleinen Halbstarken Ulfi (Das bin ich) fielen die Kinnladen herunter. Chapman hatte im Jahr zuvor mit Mike Oldfield den Song "Shadow on the Wall" veröffentlicht und war, weil es einfach ein toller Song war (und immer noch ist) immer noch in allen Ohren. Und da stand er da vorne, machte eine Ansage und legte los. 

Was wir zu hören und zu sehen bekamen war wie von einem anderen Stern. Ich war ja durchaus Konzerte Sozialistischer Musiker gewohnt, und da man im Sozialismus nur mit Nachweis einer entsprechenden Ausbildung auf eine Bühne durfte, waren die zumindest handwerklich alle gut. Das es da noch einen Unterschied gab, lernte ich an jenem Tag. Chapman und die Band gaben Gas. Sie hatten genau 30 Minuten um die Menge auf Temperatur zu bringen. Also fingen sie gleich mit 'Shadow on the Wall' an. 

Ich fasse es mal kurz: Chapman & The Shortlist (Seine Band) rissen den Laden gepflegt ab. Das war eine Musik und vor allem eine Art Vortrag von der mir vorher niemand gesagt hat, das man Musik auch so zelebrieren kann. Wild, ungestüm und musikalisch auf einem bis dahin unbekannten Niveau. Aus dem Konzert ging ich ziemlich beseelt hinaus. 

Zeitsprung, Wendezeit, es war Anfang 1990. Irgendwas zwischen März und Mai. Ich hatte mein Begrüssungsgeld noch und auch einiges aus anderen Quellen. Und ich war auf dem Weg ins Europa-Center mitten in Westberlin. Dort gab es nämlich einen Plattenladen namens Bote und Bock. Und der Musik Liebhaber ging staunend durch die Reihen, Begeistert von der schier unendlichen Auswahl. Blätterte hier und da mal herum und war irgendwann bei Roger Chapman. 

Und mein Auge erfasste etwas, das es nicht für real halten konnte. Da lag MEIN KONZERT im Regal, einfach so bereit zum Kauf. 4 Songs, Spielzeit ungefähr 30 Minuten und ja, es war aus dem Metropol. Inzwischen weis ich, das er am Abend vorher, also am Samstag, einen Auftritt im Metropol (West) hatte, der aber wesentlich länger war. Daher gehe ich auch heute noch billigend davon aus, das es sich wirklich die Aufnahme aus dem Metropol Ost handelt. 

Ich kann euch diese Urgewalt nur wärmstens ans Herz legen, und wenn es nur darum geht nachzuvollziehen, wer da Ende 1984 bei einem normalen Teenager mal eben allen schlimmen Musikgeschmack weggeblasen hat. 

Roger Chapman - Live in Berlin (Playlist) 

Ich höre den Kram bis heute immer wieder gerne, und diese Erinnerung ist, wie ihr lesen könnt, sehr lebendig geblieben. Danke fürs lesen. Fehler bitte an mich ins Fediverse oder hier als Kommentar unter dem Beitrag. Sonstiges Feedback, Kritik und Lob natürlich auch. 

Ach ja, Sorry das es so unstrukturiert daher kommt. Ich hab es (Schon wieder) mal eben in einem Rutsch herunter geschrieben. Wenn es so sehr unlesbar ist sagt es mir. Dann versuche ich mich zu bessern. 

Mein Dank an die liebe @achannemarie@troet.cafe aus dem Fediverse fürs Korrektur lesen. 

Bis demnächst in meinen Erinnerungen 

Euer Old Possum 

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